Finanzierung per Mausklick

Online-Finanzdienstleister lösen immer mehr die klassische Hausbank bei Finanzierungen ab.

Schleppende Kreditvergaben, Filialschließungen und immer weniger Service lassen Landwirte nach Alternativen suchen. Die gibt es im Internet: Neue Finanzunternehmen, die „Fintechs“ wie Online-Finetrader oder -Kreditmarktplätze versprechen schnelle und unkomplizierte Finanzierungen. Hubert Dahmen ist auf Klauenpflege von Milchkühen spezialisiert. Vor acht Jahren hat sich der Schleswig-Holsteiner selbstständig gemacht, beschäftigt inzwischen 16 Mitarbeiter. Insgesamt betreut Dahmen mit seinem Team 250 Landwirte aus dem Kreis Schleswig-Flensburg, in deren Ställen zwischen 15 und 900 Kühen stehen. „Pro Betrieb kümmern wir uns mindestens einmal im Jahr um die notwendige Klauenpflege, ausgerüstet mit Gattern und Klauenpflegeständen“, berichtet der Fachagrarwirt über sein Tagesgeschäft.

Weil regelmäßig durchgeführte Fußbäder die Klauengesundheit stärken, entsteht Dahmens Idee eines vollautomatischen Fußbades, zusammengesetzt aus einzelnen Betonteilen. Anders als bei herkömmlichen Anlagen. soll der Austausch der Flüssigkeit automatisch erfolgen: Der Landwirt dosiert das Klauenpflegemittel individuell per Knopfdruck, ohne damit in Berührung zu kommen. Um seine Idee umzusetzen, benötigt der Unternehmer damals 75.000 Euro Fremdkapital. „Aufgrund der Milchpreiskrise wollte unsere Hausbank das Projekt nicht vorfinanzieren“, erinnert er sich.

Von seiner Unternehmensberaterin erfährt Dahmen von einem Crowdfinanzierer, dem Berliner Startup Kapilendo. Er reicht seinen Businessplan ein und erhält eine Zusage für die angefragte Finanzierung. Um potentiellen Investoren Projekt und Firma vorzustellen, drehen die Berliner ein kurzes Video. Den Film veröffentlicht der Finanzdienstleister dann auf seiner Homepage, die wie ein Kreditmarkt funktioniert: Kapilendo präsentiert zahlreichen Privatanlegern online zur Finanzierung stehende Projekte, inklusive der für mögliche Geldgeber relevanten Angaben wie Anlagebetrag, Zinssatz, Laufzeit und Rating. Über gesponserte Posts bei Facebook, Google & Co. sehen das Projekt dann potentielle Geldgeber.

Damit sind Angaben, über die sonst Stillschweigen vereinbart ist, prominent platziert und für jedermann lesbar. Auch Umsatz und Betriebsergebnis des Geldsuchers. Bankgeschäfte so öffentlich zu machen, mag vielen Landwirten gewöhnungsbedürftig erscheinen. Für Dahmen war diese Offenheit kein Thema. Modern und einfach sei diese Art der Finanzierung für ihn gewesen. Schnell war auch das Geld verfügbar: „Die 75.000 Euro kamen innerhalb von drei Tagen zusammen“, erzählt der ausgebildete Klauenpfleger, wie seine Idee auf einmal zur Realität wurde. Inzwischen ist die erste, vollautomatische Fußbadanlage bei einem Landwirt in Nordfriesland in Gebrauch und dient gleichzeitig als Ausstellungs“ äche für interessierte Käufer. Der Er% nder begleicht Zins und Tilgung in konstanten, vierteljährlichen Raten – und hat die Anlage zum Patent angemeldet. Kapilendo-Gründer Christopher Grätz % nanzierte mit seinem Startup seit Gründung im Januar 2015 insgesamt 27 Projekte, dafür sammelte er 6.139.300 Euro von der Crowd ein (Stand Februar 2017). Der durchschnittliche Zinssatz liegt bei 5,07 Prozent bei einer Laufzeit von 35 Monaten. Der ausgebildete Bankkaufmann Grätz will mit seinem Fintech die Hausbank jedoch nicht ablösen: „Wir sehen unser Angebot eher als ein komplementäres Produkt, mit dem das Unternehmen Öffentlichkeit bekommt“, sagt er. Er könne sich auch vorstellen, dass Landwirte einen Teil der geplanten Investition über einen Bankkredit und einen Teil über Crowdlending % nanzieren.

Auch ein Westfälischer Großbauer hat sich für Fintech statt Bank entschieden. Zwar ist die Hausbank seit Jahren vertrauter Partner, das Kreditlimit selten vollkommen ausgeschöpft. Dennoch wählt der Landwirtschaftsmeister für die Vor% nanzierung einer Großbestellung von Saatgut und Pflanzenschutzmitteln eine alternative Finanzierungsform: „Ich brauchte kurzfristig 15.000 Euro. Dafür erschienen mir die bürokratischen Wege meiner Bank zu träge“, so der Unternehmer. Er entscheidet sich stattdessen für Inter% n, einen Online-Finetrader. Für die Bonitätsprüfung muss er lediglich Steuer- und Handelsregisternummer angeben. Bei positiver Einschätzung landet binnen weniger Stunden die Finanzierungszusage im E-Mailpostfach. Danach kann der Betrieb den Deal über den Finetrader abwickeln. Basis für die Finanzierung ist ein Handelsgeschäft. Finetrading funktioniert dabei so: Der Landwirt bestellt die Ware zu den ausgehandelten Konditionen beim Lieferanten. Inter% n springt bei Vertragsabschluss als Zwischenhändler ein und erwirbt die Ware für einen de% nierten Finanzierungszeitraum von bis zu 150 Tagen.

„Betriebe können so etwa Einkäufe vorfinanzieren, ohne Banken einzubeziehen“, erklärt Dirk Oliver Haller, Vorstand der Deutschen Finetrading AG. Deshalb wird Finetrading gerne eingesetzt, wenn der Kreditrahmen bei der Hausbank am Limit steht. Der Landwirt jedoch Betriebsmittel bestellen will, weil etwa ein Sonderangebot vorliegt oder Saisonware gekauft werden muss. Der Höchstbetrag pro Transaktion liegt bei Interfin bei 20.000 Euro, 500 Euro ist der Mindest-Rechnungswert. Eine Zielgruppe sind landwirtschaftliche Betriebe, die in diesem Korridor Finanzlücken schließen möchten.

Wer für eine geplante Finanzierung einen Online-Dienstleister sucht, sollte sich die Webseiten der Fintechs genau ansehen und sich über Datenschutzund Sicherheitsbestimmungen informieren. Wie bei einem Kreditangebot von der Hausbank lohnt es sich auch bei den Alternativen aus dem Netz, Preise und Geschäftsbedingungen genau zu prüfen. Werden Finanzgeschäfte mobil über ein Smartphone oder Tablet abgewickelt, muss die WLAN Verbindung verschlüsselt und gut gesichert sein. Apps und Betriebssystem sollten immer auf dem aktuellsten Stand sein, da Updates oft auch neu entdeckte Sicherheitslücken schließen. Zumindest bei einem Android-Betriebssystem ist ein Virenscanner Pflicht, warnt das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik.

Wie bei der klassischen Hausbank, unterliegen auch bei den Online- Dienstleistern Finanzierungsprojekte meist mehrstufigen Prüfungsprozessen. Bei Kapilendo etwa analysieren und bewerten Experten den Betrieb des Geldsuchers und leiten daraus eine Ausfallwahrscheinlichkeit ab. Ein geringerer Zins geht mit einem geringeren Ausfallrisiko einher und umgekehrt. Wird das Ausfallrisiko als zu hoch bewertet, lehnen auch die Geldbeschaffer aus dem Internet Kreditanfragen ab.

Ein Vorteil der Online-Alternativen ist Schnelligkeit: Dauern Kreditanträge bei klassischen Banken im Schnitt vier bis sechs Monate, geben Online-Finanzierer an, Anträge innerhalb weniger Tage zu bearbeiten. Und weil Fintechs in der Regel alle Prozesse digitalisieren und dadurch Kosten sparen, können sie so teils günstigere Konditionen anbieten, als viele traditionelle Banken. Anscheinend mit ein Grund, weshalb immer mehr Banken mit Fintechs zusammenarbeiten. Die Commerzbank etwa mit der Kreditplattform iwoca, über die Selbstständige und kleine Betriebe Geld leihen können. Von solchen Kooperationen erhoffen sich beide Seiten Profit: Die Crowd-Finanzierer von der Sicherheit und Bekanntheit der Institute. Die Banken von der Schnelligkeit und Innovationskraft der Fintechs. Nachdem die Leitzinsen bei Null angekommen sind, meinen nun viele Akteure, es könne wieder nur nach oben gehen. Allerdings: Dies muss so nicht sein. Die EZB kann – zumindest theoretisch – immer negativere Zinsen herbeiführen.

Ein weiterer Vorteil eines Darlehens-Neuabschlusses ist, geringere oder auch „ exiblere Tilgungen vereinbaren zu können. Allein hierdurch kann die Gesamtkapitaldienstbelastung reduziert werden. Wird keine Entlastung von der aktuellen Kapitaldiensthöhe benötigt, kann man sich gegen steigende Zinsen auch über das zuvor beschriebene Forward-Darlehen absichern. In diesem Falle lässt man das bestehende Darlehen bis zum Ablauf der Zinsbindung fortbestehen. Sowohl bei Forward-Darlehen als auch bei Ablösung eines bestehenden Darlehens durch ein neues Darlehen spielen Rating und Sicherheiten eine wichtige Rolle. Beide entscheiden über die (Anschluss-)Zinskonditionen. Bereits eine einzige Ratingstufe schlechter kann die Zinskonditionen für die gesamte Zinsbindungsdauer um 0,3 bis zu 0,5 Prozentpunkte verteuern.

Artikel als PDF

Quelle: Wochenblatt-Magazin